Eine lange Strecke der Autobahn und der Reuss entlanggegangen. Virtuelle Mitwanderer begleiten mich. Ich teste für sie die Wassertemperatur, baue Steinmännchen, streiche Rindern das Fell. Auf der anderen Seite von Wasser- und Autofluss: Silenen. Da wollen wir hin, die Sust besuchen, das Haus, wo in alten Zeiten, als noch kein Zug durch den Berg donnerte, die Säumer sich ausruhten und ihre Lasttiere fütterten.
Die Brücke führt direkt auf ein Haus zu, eine ältere Dame juchzt fast vor Freude über meine Wanderkluft. Sie winkt mich heran, holt ein Getränk aus dem Keller und erzählt beschwingt, als hätte sie mich seit langem erwartet: Von der Zeit vor der Autobahn, wie still es damals war. Und von ihren 10 Kindern, die alle im Dorf oder mindestens im Tal geblieben sind. Zum Abschied schenkt sie uns Bergkristalle. Ihr Mann hatte sie eigenhändig aus dem Berg gehackt, bevor er, vor vielen Jahren, nicht mehr nach Hause kam von einer Tour.
Ich will mir in einer Kneipe einen Nussgipfel holen und bleibe am Stammtisch hängen. Ich frage, wie es sich lebe, an einem Ort, wo alles vorbeibrause: die Autobahn, der Zug, der an der Oberfläche und bald auch untendurch im Berg, wo sogar das Wasser unbeeindruckt vorbeirausche. Das störe einen nicht. Man fühle sich nicht abgeschnitten, nein. Im Gegenteil. Von Andermatt würden jeden Morgen Doppelstockbusse direkt nach Luzern und abends wieder zurück fahren. Das sei schon eine gute Sache, so halte man die Jungen Leute im Tal. Wo Arbeit ist, kann man gut leben. Das Gespräch schwappt und plätschert mal hierhin mal dahin. Ich bringen die Frage nach dem Grundeinkommen ins Gespräch und das erhitzt nun die Geister.
Schon ist es 18h30. Zeit zu gehen! Der letzte Bus bringt uns in Maderandertal. Da bekommen wir zum Sonnenuntergang umsonst und ungeplant eine Alphornduett-Probe mitgeliefert und später beim Abendessen im Alpenhotel lauschen wir der Generalversammlung der örtlichen Blasmusik. BF
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Wir wandern also weiter…mit dem Postbus und auch zu Fuss. Es klart etwas auf, auch in unseren Gemütern, das chinesische Frühstücksbuffet, um die Chez-Bahnarbeiter und Bahnfahrer-Kantinen-Brötchen aufgestockt. Das Tal zieht sich zu, die Autobahn, Durchfahrtsstraßen und mehrgleisigen Zugstrecken streifen sich in ihren Tanzkreisen auf den Berg zu. Hohe Stromkabeltrassen. Der Pass ist wieder geschlossen wegen Schnee. Direkt neben der Autobahn Idylle und Bauernhäuser. Sie lebt seit dreissig Jahren hier, ist eigentlich Dütsche -gewesen-, aber das letzte mal im Ruhrpott, da wo sie herkommt, in den Neunzigern. Die Strasse stört sie gar nicht, dass sei sie ja aus dem Pott gewöhnt. Ich wander Trixie hinterher, verliere sie auch mal, finde sie in Gasthöfen wieder. Abends auffahrt nach Bristen. Noch etwas im Dorf umher, Alpidylle. Vor der Kirche üben zwei Männer Alpenhorn. Heimatfilmidylle pur. Nein eigentlich mehr. Das Alpenhornblasen, das sonst nicht unbedingt meins ist, passt haargenau wunderschön – schrecklich! GD